DW: Sehr geehrter Herr Professor Dr. Bauer, der Fragensteller für dieses Interview (Anselm Lenz; red.) gewann zuletzt überraschend die Revision im Spahn-Lenz-Prozess und ist jetzt nicht mehr vorbestraft, was die zuvor heftig berichtenden Schweinemedien nun aber verschweigen (Aktenzeichen 4ORS3/25, Viertes Berliner Kammergericht; red.; DW berichtete in DW210, Seite 15). Wie steht es um Ihren Lauterbach-Karikaturen-Prozess?
Bauer: Die Angelegenheit geht ihren »sozialistischen Gang«. Der nächste Termin soll am 23. Juli 2025 stattfinden. Dann nicht vor dem Amtsgericht, sondern vor dem Landgericht Stuttgart. Das heißt, der Angeklagte – also ich – wird seit zwei Jahren hingehalten. Er soll gegrillt, gegart, zermürbt werden. Gut, es gibt weitaus schlimmere Fälle der justiziellen Folter, wenn wir an Ballweg etwa oder an Füllmich denken. In meinem Fall sieht die Sache wie folgt aus: Im Juli 2023 landete bei mir ein Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart, nachdem ein – Zitat – »Herr Prof. Dr. Karl Lauterbach … formund fristgerecht Strafantrag gestellt« hatte wegen Beleidigung. Das Amtsgericht verhängte gegen mich eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen je 100 Euro, also von insgesamt dreitausend Euro. Da ich gegen den Strafbefehl Einspruch erhoben hatte, wurde eine Hauptverhandlung anberaumt, zu der ich am 12. Dezember 2023 aus Bremen nach Stuttgart anreisen sollte. Wegen »Verhinderung eines Beteiligten« wurde der Termin auf den 5. Dezember vorverlegt und persönliches Erscheinen angeordnet. Kurz vor diesem Termin verfügte die Vorsitzende des Amtsgerichts »Sicherungsmaßnahmen« gegenüber möglichen Zuhörern, sprich Prozessbeobachtern. Diese sollten sich zur Feststellung ihrer Identität ausweisen und sich einer Durchsuchung, sprich Leibesvisitation, unterziehen, wobei – wörtlich – »Frauen von weiblichem Personal kontrolliert werden«.
DW: Das volle Programm einer hochnotpeinlichen Verbrecheraburteilung, so hat es den dramaturgischen Anschein!
Bauer: Genau so ist es. Dann aber kam kurzfristig die Mitteilung, dass der Termin der Hauptverhandlung wegen Erkrankung der Richterin aufgehoben wurde. Diese Nachricht erreichte mich zu einem Zeitpunkt, als meine Frau und ich bereits einen Flug von Bremen – meinem Wohnsitz – nach Stuttgart hin und zurück gebucht hatten. Da waren schon mal nahezu fünfhundert Euro für die Flugbuchung futsch. Das minderte aber nicht das spätere Urteil.
DW: Wie ging es dann vor Gericht weiter?
Bauer: Neuer Termin am 26. März 2024, ebenfalls garniert mit den schon erwähnten, von der Richterin verfügten Visitationsschikanen. Ergebnis der Verhandlung war die erneute Verurteilung zu der Geldstrafe von dreitausend Euro – plus Gerichtsund Anwaltskosten. Zitat aus dem Urteil: »Der Angeklagte hat den Geschädigten Lauterbach vorliegend mit Adolf Hitler verglichen, dem entscheidenden Auslöser das Zweiten Weltkrieges, sowie den Verantwortlichen für den Tod und die Hinrichtung tausender Juden. Ein solcher schwerwiegender Vergleich ist nicht mehr von den Grundrechten des Angeklagten gedeckt, da die Ehre von Karl Lauterbach massiv in den Schmutz gezogen wird.« Angesichts dieser abstrusen »Begründung« muss man wissen, dass sich die inkriminierte »Beleidigung« auf eine Bildmontage bezieht, die 2023 – vor dem Hintergrund des Corona-Putsches – zusammen mit anderen Bildmontagen unter dem Titel »Charakter-Masken« in einer Broschüre der Edition Kunst des Bergkamener pad-Verlags erschienen ist. Das heißt, die künstlerische, in der Bildmontage vorgenommene Drapierung der Lauterbach-Oberlippe mit dem Schwarzen Malewitsch-Quadrat und die Bildunterschrift »#adolf #lauterbach« nahmen kritisch-anklagend Bezug auf die demokratiefeindliche Maskenund Impfpropaganda, bei der sich nicht zuletzt Lauterbach an vorderster Front verantwortlich exponiert hatte.
DW: In der 80-seitigen Broschüre befand sich die Lauterbach-Montage auf Seite 12 in »guter Gesellschaft« mit Merkel, Gates, Spahn, Steinmeier, Wieler, Drosten, Scholz, Bärbock, Ramelow, Söder, Gauck und noch weiteren pandemischen CharakterMasken. Niemand von den anderen aus der politischen Klasse erstattete Anzeige, nur Lauterbach. Dies brachte die Richterin allerdings nicht ins Grübeln. Ebenso wenig ein Dante-Zitat auf der Lauterbach-Seite, bei dem die Rede vom »spitzen Schweife« eine sarkastische Anspielung auf die tödlichen Covid-Spritzen ist.
Bauer: Ich zitiere: »Sieh dort das Untier mit dem spitzen Schweife, / Das Berge übersteigt und Wehr und Mauern / Zertrümmert. Sieh, was alle Welt mit Stank erfüllt.«
DW: Wahrlich, die drakonische Maßnahmenwelt war seinerzeit »mit Stank erfüllt«. Sie wurden also – bar jeglichen Humors –mit juristischen Winkelzügen, völlig zu Unrecht und mit einer gewissen Willkür, wie früher einmal der Majestätsbeleidiger oder Gotteslästerer, zu einer hohen Geldstrafe verdonnert und sollten die Anwaltsund Verfahrenskosten tragen?
Bauer: So ist es: Völlig zu Unrecht und mit obrigkeitsstaatlicher Willkür. Ich hinwiederum halte es im Rahmen der Kunstfreiheit uneingeschränkt für angebracht, einen überdrehten Politiker wie Lauterbach satirisch in Verbindung zu bringen mit dem Demagogen und Propaganda-Redner Hitler. Auf dieses Niveau der GrundrechteArgumentation hat sich die Richterin freilich nicht begeben. Sie hat es sich einfach gemacht und mich als ehrverletzenden Beleidiger abgeurteilt. Dabei hat sie völlig ignoriert, dass Kunstund Meinungsfreiheit legitime Mittel der demokratischen Auseinandersetzung sind und als solche auch der Justiz Grenzen setzen, vor allem, sobald auch gute wissenschaftliche Gründe ins Feld geführt werden können. Mit Hilfe meines Anwalts bin ich daher in Berufung gegangen. Das ist aktuell – bald zwei Jahre nach dem Strafbefehl – der Stand des Verfahrens wegen angeblicher Beleidigung. Dass es einen Unterschied macht, ob jemand die Absicht hat, einen anderen persönlich zu beleidigen, oder ob es sich bei dem Tatbestand um scharfe Kritik und eine Form des politischen Widerstandes handelt – siehe Artikel 20, Absatz 4 des Grundgesetzes: Widerstandsrecht gegen die Zerstörung des Grundgesetzes! –, diese Erwägung übersteigt meines Erachtens den Horizont der gottähnlichen Justicia-Dame. Die Richterin erkannte vielmehr auf ehrverletzende Beleidigung, als ob es mir bloß darum gegangen sei, Karl Lauterbach, den ich persönlich gar nicht kenne, ehrverletzend anzupinkeln.
»Mich motivieren meine Begegnungen mit der deutschen Justiz«
DW: Sie haben zuletzt ein »Kritisches Wörterbuch des Bunten Totalitarismus« (siehe Seite 14) veröffentlicht. Weshalb?
Bauer: Mich motivierten nicht zuletzt meine Begegnungen mit der deutschen Justiz. Die Beleidigungsklage des Herrn Lauterbach und die rachegöttliche Art des juristischen Umgangs damit ist nur einer von zwei Fällen der Begegnung mit dem pervertierten Rechtsstaat, gegen den wir uns zur Wehr setzen müssen. Im zweiten Fall, anhängig am Amtsgericht Bremen, wurden meine Frau und ich aufgrund einer anonymen Anzeige bei der baden-württembergischen Meldestelle »ReSpect!« – einer staatlich geförderten Denunzierungs-Agentur – mit einer morgendlichen Hausdurchsuchung durch einen bewaffneten Stoßtrupp der Polizei in Panik versetzt und schikaniert, veranlasst von der Staatsanwaltschaft. Angeblich soll ich Volksverhetzung – ich nenne es »Volxverhexung«, das trifft präziser den mit der Anklage verbundenen Verfolgungswahn – begangen und in vermeintlich strafbarer Weise Nazi-Symbole verwendet haben. Eine Hauptverhandlung findet am 25. August 2025 vor dem Amtsgericht Bremen statt. Außer durch meine persönlichen Erfahrungen mit dem Polizeistaat und der Unrechtsjustiz war ich vor allem aber durch mein wissenschaftliches Interesse motiviert, dem politischen Niedergang der Demokratie, wie wir ihn verschärft seit dem Corona-Putsch erleben, auf den Grund zu gehen.
DW: Sie sind Politikwissenschaftler und hatten an der Universität Bremen einen Lehrstuhl für Wohlfahrtspolitik und Soziale Dienstleistungen. In der Corona-Zeit sind Sie öffentlich bei Kundgebungen aufgetreten und haben sowohl im Netz als auch gedruckt kritische Beiträge veröffentlicht. Sie sind einer der nicht allzu vielen Wissenschaftler mit kritischer Kante, die den ihnen verliehenen Titel Professor, das heißt Bekenner, beim Wort nehmen.
Bauer: Naja, ich nehme nur den Schwur auf die Verfassung ernst, den ich 1972 bei der Berufung zum Hochschullehrer geleistet habe. Außerdem – ich bin Jahrgang 1939 – sehe ich mich in der Verantwortung meiner Generation, der Kriegsund Nachkriegsgeneration. Wir haben im Kindesalter den totalitären Faschismus brauner Färbung erlebt und die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Wir haben an der Schule hautnah »alte Nazis« und die sogenannten Mitläufer erlebt. Sogar noch als Studenten an der Universität! Können und dürfen wir da die Augen verschließen und schweigen, wenn der Totalitarismus jetzt bunt-divers daherkommt und sich quasi-demokratisch und antifaschistisch tarnt? Wir, gerade wir Deutschen, haben eine historische und vor allem auch eine aktuelle Verantwortung.
DW: Und dieser Verantwortung werden Sie durch das Kritische Wörterbuch auf überzeugende Weise gerecht.
Bauer: Das war mein Bestreben. Das Wörterbuch enthält in alphabetischer Reihenfolge Stichwörter, die Bezug nehmen auf Institutionen, Begriffe und Personen, die alle miteinander auf die eine oder andere Weise in Beziehung stehen. Man kann die Stichwörter mit Puzzlestücken vergleichen, die, wenn man sie richtig zusammensetzt, ein Gesamtbild ergeben, das konträr abweicht von dem, was allgemeiner Common Sense ist. Sie vermitteln ein Bild, das sich deutlich unterscheidet von dem, was die meisten Medien verbreiten, was die Lehrer, die Wissenschaftler und die »Experten« verkünden, was uns an gesellschaftlicher und politischer Simulation vorgeführt wird. Mir geht es darum, hinter die Kulissen zu schauen bzw. die Leser des Wörterbuches in die Lage zu versetzen, sich nicht vom vordergründigen Bühnengeschehen täuschen zu lassen. Also selbstständig zu entdecken und zu erkennen, in welcher dramatischen politischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und inzwischen auch militärischen Situation wir uns befinden. Das Wörterbuch wendet sich an Menschen, die mehr wissen wollen, die sich nicht abspeisen lassen von Unterhaltung, Talk Shows, Events und einem Mainstream, für den sie auch noch zu bezahlen haben – mit GEZ-Gebühren und Abonnements.
DW: Wenn man sogar noch dafür bezahlt, kann es doch nicht falsch sein. Das wäre ja Betrug. Viele denken offenbar so …
Bauer: … und lassen sich einlullen. Beziehungsweise sie lassen sich damit ruhig und zufrieden stellen. Das Leben und die Arbeit sind schon anstrengend genug, und alles zu hinterfragen, das setzt sie letzten Endes dem Vorwurf der »Staatsgefährdung« aus, der Anschuldigung, ein »Schwurbler« oder gar ein »Nazi« zu sein. Mein Kritisches Wörterbuch soll für diejenigen, die es nutzen, keine zusätzliche Belastung darstellen, sondern es soll – so komisch das zunächst klingen mag – Vergnügen bereiten: intellektuelles Vergnügen. Seinen Lesern oder Nutzern soll im Dunkel der Verhältnisse ein Licht aufgehen. Sie sollen erkennen können, was ihnen vorenthalten wird. Sie sollen die Grenzen des parzellierten Denkens überschreiten können. Dafür ist das Wörterbuch eine Handreichung, um das Puzzle des Bunten Totalitarismus selbständig zusammenzusetzen. Das kann durchaus Spaß machen, auch wenn es Schwarzer Spaß ist.
Wörterbuch des bunten Totalitarismus
DW: Schwarzer Spaß beim Zusammenzusetzen der Puzzle-Stücke zum totalitären Ganzen? Wie ist das zu verstehen?
Bauer: Ein Puzzle ist bekanntlich zweidimensional: Länge und Breite. Das Wörterbuch-Puzzle stellt darüber hinaus auf vielfache Weise weitere Verbindungen her. Es erschließt die Verbindung von Akteuren und Strukturen, und zwar sowohl horizontal – etwa auf der Ebene der Bundesrepublik, wenn es sich zum Beispiel um den politischen Lobbyismus, um Stiftungen und Think Tanks, um Korruption und Skandale handelt oder um den Militärisch-Industriellen Komplex. Es verbindet aber auch vertikal, indem es den Zusammenhang erkennbar macht zwischen den Ebenen Bundesrepublik, EU, Nato, dem »Westen« und den Vereinten Nationen. Beispiel ist das Beziehungsund Kontrollgeflecht zwischen der Weltgesundheitsorganisation WHO auf UNO-Ebene bis hinunter zur kommunalen Ebene mit Ordnungsämtern, Polizeieinsätzen, Teststationen und Impfkampagnen, wie wir all das während der so genannten Pandemie erleben mussten. Damit aber noch nicht genug: Das Wörterbuch stellt auch historische Verbindungslinien her, und zwar zu den Karlsbader Beschlüssen von 1819, zum Bismarckund Kaiserreich sowie zur Weimarer Republik, nicht zuletzt und vor allem zum Nationalsozialismus. Sichtbar wird ein Herrschaftsund Überwachungsnetzwerk, das an vielen Stellen an Gefängnisgitter erinnert und verschworene Clans von demokratisch nicht legitimierten Kontakt-»Eliten« erkennen lässt: das Weltwirtschaftsforum, die Bilderberger, die Atlantikbrücke, die Rockefeller Stiftungen, die Geheimdienste und so weiter, und so fort, und so fort.
DW: Wie können wir uns daraus befreien? Können wir uns überhaupt daraus befreien? Gibt es angesichts all dieser Clans, Brandmauern und Schützengräben Ihres Erachtens noch irgendeinen Grund, NICHT aus der BRD auszuwandern?
Bauer: »Flüchten oder Standhalten« lautete der Titel einer 1976 erschienenen Schrift von Horst-Eberhard Richter. Schon damals galt für mich: Standhalten! Ins Exil auszuweichen, flüchten zu müssen, kann sich als letzter, wirklich als allerletzter Ausweg erweisen. Ausweg ist aber nicht gleich Auswandern. Hierzubleiben und demokratischen Widerstand zu leisten, ist angesagt. Es sind so viele großartige Menschen, die nicht auswandern können und gezwungen sind, hier zu bleiben, nicht zuletzt die Werktätigen, die Eltern mit Kindern, die Rentner und Pflegebedürftigen. Zusammen mit ihnen und – mit Verlaub – im Vertrauen auf die Widerständigen im Militär und bei der Polizei sowie auf die Rebellen in den europäischen Nachbarländern muss der Kampf geführt werden, auch wenn das unsere Kräfte zunächst zu übersteigen scheint. Dieses ist UNSER Land, UNSERE Kultur, UNSER Leben. Hier sind meine und unsere Wurzeln. Hier bleibe ich. Hier bin und bleibe ich verantwortlich: als Wissenschaftler, als Künstler und als Schriftsteller.
DW: Lieber Professor Bauer, sehr geehrter Rudolph, wir danken Ihnen für Ihre Antworten!
Die Ausgangsfragen stellte Anselm Lenz.