Es ist die zweite Friedensdemonstration von Sahra Wagenknecht – nach ihrem Aufschlag vor zweieinhalb Jahren, damals am 25. Februar 2023. Die angemeldete Teilnehmerzahl von 15.000 Teilnehmern wird heute, am 13. September 2025 deutlich überschritten.
Auch wenn die Berliner Polizei nur 12.000 Menschen sehen will und Blättchen wie der Tagesspiegel sich nicht zu peinlich sind, von »Tausenden« zu sprechen. 20.000 Menschen, so die Angabe der Veranstalter, die vor dem Brandenburger Tor die Runde macht, so viele sind für Frieden, vor allem für Frieden in Gaza in Berlin zusammengekommen.
Das Motto der Veranstaltung:
»Stoppt den Völkermord in Gaza«.
Die thematische Schwerpunktsetzung auf Gaza sorgt dafür, dass das Publikum zu einem guten Teil aus Menschen besteht, die offensichtlich Wurzeln im Nahen Osten haben. Der Stimmung tut dies im Vergleich zur ersten Wagenknecht-Demonstration, die damals breit aus ehemaligen Mitgliedern der Linkspartei und der DKP bestand, keinen Abbruch, im Gegenteil.
Die kreativen Schilder, die größte Eigeninitiative beim Auftreten und die beste Stimmung kamen damals aus der neuen deutschen Friedens- und Demokratiebewegung, die sich im Zuge der Coronamaßnahmen gegründet hatte (ab 28. März 2020, DW berichtete). Und auch heute sind die Menschen aus der neuen deutschen Friedens- und Demokratiebewegung überaus stark vertreten. Auch wenn Wagenknecht erneut das Kunststück vollbringt, diese gigantische Protestbewegung mit keinem Wort zu erwähnen. Und auch keinen Vertreter der Demokratiebewegung als Redner auf der Bühne einzuladen.
Wagenknecht setzte stattdessen auf bekannte Gesichter, man könnte sagen, auf die Strategie »Alternativer Mainstream«. Sie alle hielten durch die Bank Top-Reden, kein Zweifel. Der vom TV-Sender Pro7 bekannte taff-Moderator Daniel Aminati machte den Anfang. Mit emotionalen Worten erklärte er seinen Einsatz für die Palästinenser und Frieden in der Region. Das Leid der Kinder habe ihn erschüttert, so Aminati, der ausdrücklich von »Völkermord« in Gaza sprach.
Im Anschluss sprach der bekannte israelische Soziologe Moshe Zuckermann, der sagte, man könne sich nicht auf den Widerstand der israelischen Bevölkerung verlassen. Es gebe in Israel nur Widerstand gegen die Politik der Führung Benjamin Netanjahus in Bezug auf die israelischen Geiseln. Sprich Widerstand dagegen, dass dessen Kriegspolitik die Freilassung der Geiseln verhindere. Dem Schicksal der Menschen in Gaza stünden weite Teile der israelischen Bevölkerung gleichgültig gegenüber, so Moshe Zuckermann, der meinte, dass es nun deshalb vor allem Druck von außen brauche. Vor allem aus Europa, da von der Führung Trumps keine Hilfe für die Palästinenser und Friedensverhandlungen zu erwarten sei.
HALLERVORDEN MACHT
DIE SACHE KLAR
Nachdem Daniel Aminati zwei Lieder gesungen hat, spricht Dieter Hallervorden. Dieser weitet den Fokus auf die allgemeine Kriegstreiberei in Deutschland. »Kriegstüchtigkeit« sei das Unwort dieser Jahre, so Hallervorden. Er, der den Weltkrieg noch selbst erlebt habe, rate allen jungen Menschen, dem kommenden Einberufungsbescheid nur den Allerwertesten zu zeigen. Es brauche nun »friedlichen Ungehorsam«, so der Preisträger der Republik Dieter Hallervorden, der seinen Auftritt mit einer Gesangseinlage zum bekannten Lied Bella Ciao mit neuem Text unter großem Applaus abschließt
Im Anschluss spricht Roger Waters per Videobotschaft, der ein offenes und faires Referendum für die umstrittenen Teile der Ukraine fordert. Die Menschen sollten einfach demokratisch darüber abstimmen, zu welchem Staat sie gehören, so der Pink-Floyd-Musiker. Eine Forderung, die auch Wagenknecht in ihrer Rede später wieder aufnimmt. Waters macht in seiner Rede auch auf die kolonialen Wurzeln des Nahost-Konflikts aufmerksam, und erntet hier großen Applaus.
Nun der Auftritt Wagenknechts: Das ist ihre Veranstaltung, man merkt es dem Jubel an. Sie ist es, die die Leute vor allem sehen wollen. Immer wieder brandet der Applaus auf, während Wagenknecht eine gewohnt gute Rede hält. Zum kürzlichen, angeblichen Angriff Russlands auf Polen mit Drohnen sagt sie, dass es nicht mit einem Angriff Russlands zusammenpasse, dass Weißrussland, der engste Verbündete Russlands, die Polen gewarnt hatte, dass irrgeleitete Drohnen nach Polen abdriften. Statt Kriegsgetrommel brauche es auch deshalb Diplomatie. – Man bräuchte wieder eine echte Friedensbewegung, so Wagenknecht, wie schon bei ihrer ersten Demo am 25. Februar 2023 – also ziemlich genau vor 2,5 Jahren.
»Das Problem ist die Nato«, so der US-amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs, der in Anschluss an Wagenknechts Rede per Videobotschaft zugeschaltet wird. Er weist auf das Versprechen der westlichen Führer an Michail Gorbatschow hin, dass die Nato sich nicht nach Osten ausdehnen werde. Ein Versprechen, das die Nato-Länder gebrochen hätten, was überhaupt erst die Voraussetzung für den Ukrainekrieg gegeben habe.
Die Rapper Massiv und Bausa schlagen weiche Töne an, appellieren an die Menschlichkeit und die Freiheit in Deutschland. Überhaupt: Das ist der Coup dieses Tages.. Sahra Wagenknecht gemeinsam mit den Rappern, hier müsste eigentlich mal ein gutes, leicht ironisches Musikvideo kommen mit Dieter Hallervorden im Feature. Sahra Wagenknecht in einem Rap-Video, umgeben mit Muskeljungs, die um sie herum oben ohne posieren. Nun ja, weiter zur Demo…
ÜBERALL SIND DIE
MASSNAHMENKRITIKER
Rund um die große Versammlungsfläche am Brandenburger Tor sind Stände aufgebaut worden. Darunter die »Opas und Omas gegen Krieg« und die Rostocker Initiative »1 Millionen Stimmen für den Frieden«, die seit Mai 2025 ein dezentrales Netzwerk aufgebaut haben, um deutschlandweit persönlich in den Fußgängerzonen mit den unterschiedlichsten Menschen ins Gespräch zu kommen. Vor der Bühne wehte eine Compact-Fahne, die Berliner Demokraten der Freedom-Parade waren da, auf einem Banner wurde die Freiheit für Reiner Füllmich gefordert, auf einem anderen das Brechen von Coronaspritzen. Ja, die neue Demokratie- und Friedensbewegung ist stark vertreten. Neben unterschiedlichen kommunistischen Gruppen und der arabischen Community. Ein Drittel macht sie ungefähr aus.
Vor allem, nachdem die Versammlung gegen 16.30 Uhr aufgelöst wird, und die nicht so routinierten Demogänger nach Hause gehen, bleiben neben einigen, die eine riesige Palästinaflagge schwenken, vor allem Aktivposten der neuen Friedens- und Demokratiebewegung auf dem Platz stehen, um weitere Schritte zu planen. Demokraten aus Chemnitz, die am 25. Oktober 2025 in ihrer Stadt eine Demo veranstalten werden, wie auch Demokraten der Initiative Reformation 2.0, die am 31. Oktober in mehreren Städten Friedensdemonstrationen organisieren. Leuchttu ARD am 1. Oktober um 9 Uhr in Leipzig. Das von Wagenknecht und ihren Leuten bisher überhaupt keine Versuche unternommen werden, hier mit Basisdemokraten zusammenzuarbeiten, ist mir ein Rätsel.
Lars Hünich, AfD-Landtagsabgeordneter in Brandenburg, der in der Coronaaufarbeitung sehr aktiv ist, lobt jedoch ausdrücklich Teile der Kollegen des BSW im Brandenburgischen Landtag. Es sei überaus positiv, wie dort einige BSW-Mitglieder wirklich an Inhalten interessiert seien, und nicht allein nach dem Parteibuch schauen. »Es geht hier um Frieden, und nicht um das Parteibuch«, so Lars Hünich zur Demo an diesem Tag. Deshalb habe er auch zu dieser Versammlung von Wagenknecht eingeladen. Ja, so kann es gehen mit der »echten Friedensbewegung« (Sahra Wagenknecht).
Der Tag ist ein voller Erfolg Sahra Wagenknecht, das muss man festhalten. Eine überaus gelungene Versammlung, die nicht so steif war, wie ihre erste. Und dazu noch mit deutlich mehr Teilnehmern, die erneut, also wie bereits am 25. Februar 2023, zu weiten Teilen aus der neuen Friedens- und Demokratiebewegung stammen, auf der Bühne jedoch überhaupt nicht vertreten sind. Ob sich hier das Prinzip Hoffnung jemals einlöst, steht in den Sternen. Wagenknecht verfehlte – unter ominösen Umständen – bei der vergangenen Bundestagswahl knapp die Fünf-Prozent-Hürde, wegen ein paar tausend Stimmen. Stimmen, die sie locker zusammengekriegt hätte, wenn sie sich nur dem riesigen Straßenprotest seit 2020 etwas geöffnet hätte.
Doch um positiv zu enden: Es war eine gute Versammlung.