MORGEN IST ES ZU SPÄT

Die Spekulationen über ein baldiges Blackout verdichten sich. Ist Deutschland gewappnet für ein derartiges Katastrophenszenario?

Von Hermann Ploppa

Stellen Sie sich einfach mal vor, was passieren wird, wenn mal so richtig der Strom in unserem Land ausfällt. Einmal habe ich einen richtigen Stromausfall von einer Woche miterlebt. Das war bei der legendären Schneekatastrophe zum Jahreswechsel 1978 auf 1979. Ich war zu Besuch bei meinen Eltern im schnuckeligen Reetdachhäuschen an der dänischen Grenze. Wenn der Strom ausfällt, wird es tatsächlich sehr schnell sehr elementar. Gas zum Heizen ist genug vorhanden — aber die elektronische Steuerung ist weg. Und es war damals arschkalt. Wir hatten noch einen Gasherd. So konnten wir mit einem Flämmchen eine gewisse Basiswärme von etwa fünf Grad halten. Das Gasflämmchen schluckte aber so nach und nach den gesamten Sauerstoff im Raum.


Aber wir hatten es noch gut. Erstens war ja damals noch nicht alles und jedes elektronisch gesteuert, vieles lief noch mechanisch. Heute ist ein totaler Stromausfall, der länger als zwei Tage dauert, gar nicht mehr kuschelig. Darauf haben diverse Studien in Deutschland und Österreich unmissverständlich aufmerksam gemacht. Und der österreichische Autor Marc Elsberg hat dazu sogar den Romanthriller »Blackout — Morgen ist es zu spät« geschrieben, der zum Millionenbestseller aufgestiegen ist. Resümee all dieser Studien: Zwei Wochen ununterbrochener Stromausfall katapultiert uns zurück in das Mittelalter — vier Wochen Blackout, und wir befinden uns in der Steinzeit.

Es hängt ja alles am Internet. Wenn das dann zusammenbricht, brechen auch alle elementaren Lebensfunktionen in sich zusammen. Rein zufällig hat das World Economic Forum gerade diese Situation in seinem virtuellen Manöver Cyber Polygon durchgespielt. Der Wirtschaftsjournalist Ernst Wolff schließt nicht aus, dass beim Wiederhochfahren des Internets das Bargeld und das Finanzsystem, wie wir es bislang kannten, abgeschafft sein könnten, und wir uns in einer reglementierten virtuellen neuen Finanzlandschaft wiederfinden.

Ganz auszuschließen ist das leider nicht. Gehen wir aber mal einen Schritt zurück. Wenn der Strom ausfällt, streiken die Verkehrsleitsysteme. Es käme dann zu Massenkarambolagen. Sie können Ihr Handy nicht mehr aufladen. Die Server für das Telefonieren sind auch tot. Sie haben noch Sprit für ein Notstromaggregat? Gehen Sie sparsam damit um. Denn tanken können Sie nicht mehr. Die Zapfsäulen laufen auf Strom, und Handpumpen sind nicht vorgesehen. Lebensmittel einkaufen? Wie das denn? Alles ist klimatisiert und vergammelt ohne Kühlung. Es gibt Notvorräte des Bundes. Die reichen für zehn Tage.

Bevorratung im großen Stil ist in Zeiten der eng getakteten Lieferketten Schnee von gestern. Nach zwei Wochen gehen auch die Spritvorräte der Notstromaggregate der Krankenhäuser zur Neige. Ihre Solarzellen nützen Ihnen auch nichts, denn Sie sind ja per Gesetz gezwungen, ihren Eigenstrom in das große Netz einzuspeisen. Wenn Ede Knack kommt und Ihr ausgekühltes Haus plündern will, können Sie leider keine Polizei mehr rufen. Das sind so die Bilder, die auch immer wieder sensationslüstern über die Medien ventiliert werden.


IMMER MEHR STROMFRESSER
DURCH DIGITALISIERUNG


Besonders gerne malen die Presseexperten der fossilen Energien und der Atomkraftwerkskonzerne solche Bilder. Leider haben sie bei der Beschreibung des Gefahrenszenarios im Großen und Ganzen Recht. Es fragt sich nur: Von welchem Ende her wird die Wurst aufgegessen? Haben wir zu wenig Atom und Kohlekraftwerke?

So viel kann man sagen: Die Corona-Kampagne hat zu einer rapiden Digitalisierung geführt. Und in aller Stille haben die Superreichen wie Mister Amazon, Jeff Bezos, oder Mister Tesla, Elon Musk, die umstrittene 5G-Technologie massiv vorangetrieben. Allein in Deutschland sind bereits 60.000 5G-Sendemasten installiert worden. Weitere 800.000 5G-Masten sind geplant. Und 50.000 Satelliten werden in niedriger Flughöhe mit den 5G-Masten kommunizieren. Jede größere Fabrik darf in eigener Regie mit 5G-Sendern bestückt werden. Dann sollen sich Roboter und autonome Fahrzeuge ohne menschliche Einwirkung auf dem Werksgelände über den optimalen Arbeitsablauf unterhalten können.

Dass dabei ein monströser Stromverbrauch entsteht, darüber wird selten ein Wort verloren. Eine Studie des Stromriesen Eon rechnet vor, dass dabei alleine bis 2025 durch 5G ein Mehrbedarf von etwa 3,8 Milliarden Kilowattstunden (KWh) entstehen wird. Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von 2,5 Millionen Bundesbürgern. Und bis 2025 wird ja nur ein kleiner Teil der 5G-Anlagen bereits installiert sein. Und der Anteil der Computer-Rechenzentren am Gesamtverbrauch wird bis 2030 auf dreizehn Prozent ansteigen.

Der andere neue Stromfresser ist die sogenannte E-Mobilität. Im Moment flüstern nur einige Tausend Elektroautos durch Deutschland. Aber im Jahre 2030 sollen bereits vierzehn Millionen E-Autos durch das Land stromern. Na und? Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose! Das ist genau das Problem. Die Stromanbieter wollen ihre flauen Verbrauchszeiten in der Nacht mit niedrigen Tarifen attraktiver machen. Wenn nun alle Deutschen ihr E-Auto ab 19 Uhr zuhause anstöpseln an die Steckdose zum Aufladen — ja, dann könnte es kribbelig werden. Der Ortsnetztrafo, der für je 50 bis 200 Haushalte die 20.000 Volt herunterbricht auf verträgliche 230 Volt, könnte bei so vielen aufzuladenden Autos und E-Rollern leicht die Grätsche machen. Also muss die Infrastruktur im ganz großen Maßstab fit gemacht werden für diesen gigantischen Zusatzverbrauch.


DIE BUNDSREGIERUNG
STEUERT AUF EIN FIASKO ZU


Die Planung einer solchen Umstrukturierung obliegt der Bundesregierung. Das Wirtschaftsministerium hatte im letzten Jahr geschätzt, dass der Stromverbrauch von jetzt ungefähr 550 Terrawattstunden (TWh) auf 580 TWh im Jahre 2030 ansteigen wird. Jetzt hat das Haus Altmaier die Prognose auf 665 TWh für 2030 angehoben. Von allen Seiten heißt es nun, das sei angesichts der oben geschilderten Zunahme-Faktoren beim Stromverbrauch immer noch viel zu niedrig angesetzt. Der Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft setzt den Stromverbrauch für 2030 auf 700 Terrawattstunden an. Realistischer dürfte die Schätzung des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) mit mindestens 740 TWh sein. Warum stapelt das Wirtschaftsministerium so tief?

Der Grund könnte darin liegen, dass sich die Bundesregierung verpflichtet hat, den Anteil Erneuerbarer Energien an der gesamten Stromproduktion von heute 42 Prozent auf 65 Prozent im Jahre 2030 zu steigern. Und die Regierung andererseits nicht willens ist, im gleichen Maß die Erneuerbaren Energien zu fördern. Das Schema ist aus früheren Zeiten bekannt: Immer wieder ließ die Bundesregierung die Erneuerbaren Energien bewusst auflaufen, um dann wieder auf Atomkraft und Fossil zu setzen. Immer wieder mussten Katastrophen wie Tschernobyl oder Fukushima Kurskorrekturen zugunsten der Erneuerbaren Energien erzwingen. Wir müssen also der Bundesregierung auf die Finger schauen, damit nicht der große Blackout schon durch eine falsche Planung quasi vorprogrammiert daherkommt. Doch das reicht nicht.

Wir müssen wieder weg von der zentralisierten globalisierten Wirtschaft mit ihren anfälligen Lieferketten. Regionalisierung und Dezentralisierung sind für uns die richtigen Wege. Wenn Sie ein eigenes Haus besitzen: Installieren Sie sich ein abgeschlossenes Gleichstromnetz mit Solarzellen und Autobatterie als Speicher. Kochen und heizen Sie mit Feststoffen, also am besten Holz. Bauen Sie selber Gemüse und Obst an. Dann bleibt Ihnen beim Stromausfall das Übelste erspart.




Dieser Text erschien in Ausgabe N° 58 am 13. Aug. 2021




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