Was  sich  seit  ungefähr  einem        Jahr        auf        unseren    Autobahnen und      Bundesstraßen      abspielt,  ist  eine  einzige  Katastrophe.  Jedem,  der  vor  dem  Kollaps  des  Schienenverkehrs  auf  die  Straße  flüchtet,  steckt  das  in  den  Gliedern. So viele Unfälle. Auf die Rastplätze  kommt  man  vielleicht  noch  rauf,  aber  vor  lauter  abgestellten  LKWs  nur  mit  Mühe  und  Not  wieder  runter.  Und  dann  fährt  man  ein paar Kilometer und sieht schon wieder diese Dreieckschilder. 
Darin das Piktogramm eines schaufeln-den Straßenarbeiters. Baustelle! Diesmal leider 35 Kilometer lang — mit 60 km/h. Dann Rütteln und Schütteln auf einer dieser durch Schwertransporter abgerö-delten Autobahnpisten. Doch nicht lange, denn das Männchen mit der Schaufel im Dreieckschild lässt nicht lange auf sich warten — wieder Baustelle! Will man uns nach dem Eisenbahnfahren jetzt auch noch das Autofahren vergraulen? Sollen wir wie in Lateinamerika auf Helikopter-Taxis umsteigen?
Die Antwort ist weitaus banaler. Unsere geliebte  Bundesregierung  will  mal  wieder alles zentralisieren und damit effizienter,   kostengünstiger   und   unbürokratischer     machen.     Und     wie     immer  kommt  dabei  gerade  das  glatte  Gegenteil  heraus.  Zudem  will  man  in  Berlin  die  Fernstraßen   privatisieren,   bis   der   Arzt   kommt.   Da   das   aber   nicht   gut   ankommt  bei  den  Menschen  draußen  im  Lande,  muss  man  das  sozusagen  unter dem Ladentisch machen. Und bei dieser Heimlichtuerei kommt auch nur halbgarer Pfusch heraus. Doch wenden wir uns der Zentralisierung zu. 
ZENTRALISMUS SOLL 
ABHILFE SCHAFFEN
Wir  wissen  alle,  dass  die  Bundesregierung diesen lästigen Föderalismus lieber heute   als   morgen   loswerden   möchte.  Schon  im  Jahre  2017  hatte  es  eine  umfassende  Reform  gegeben,  die  den  Ländern   viele   Zuständigkeiten   gegen   ein  geringes  Schmerzensgeld  abgekauft  und  zum  Bund  verschoben  hat.  Es  gab  zwar  ein  gewisses  Murren,  da  man  sich  aber  die  konkreten  Folgen  der  Zentralisierung  noch  nicht  so  recht  ausmalen  wollte,  ging  dieser  Bundes-Putsch  glatt  durch.  Als  im  letzten  Jahr  Jens  Spahn  de facto zum Gesundheitsdiktator erhoben und die Länderchefs zu Befehlsempfängern  herabgestuft  wurden,  konnten  wir uns schon ein bisschen genauer vorstellen, was der neue Zentralismus nach französischem  Vorbild  mit  uns  macht.  Doch  kaum  jemand  hat  bemerkt,  dass  seit Anfang dieses Jahres die Betreuung der  deutschen  Fernstraßen  nicht  mehr  Ländersache ist. Das Geld für die 13.000 Fernstraßen-Kilometer gab schon immer der Bund. Für Hege und Pflege der Strekken waren allerdings bis vor Kurzem die einzelnen  Bundesländer  zuständig.  Was  man  bemerken  konnte,  wenn  man  von den  kuscheligen  Flüsterasphaltstrecken  in Brandenburg plötzlich auf die Schlaglochpisten    in    Mecklenburg-Vorpommern  rüberhoppelte.  Wäre  ja  schön  für  die  Stoßdämpfer  meines  Autos,  wenn  die  Strecken  in  Deutschland  einheitlich  gut gepflegt wären. Nun ist seit Jahresbeginn   die   neu   gegründete   Autobahn   GmbH  für  die  deutschen  Fernstrecken  zuständig. Also von der Theorie her alles wunderbar. Leider gibt es bei der Umwandlung einige gravierende  Probleme.  Erst  mal  mussten etwa 10.000 bisher bei den  Ländern  beschäftigte  Mitarbeiter  in  die  neue  Zentralbehörde   überführt werden. 
Alle Unterlagen kommen zur neuen Superbehörde. 1.500 unterschiedliche Computersoftware-Systeme müssen zu einem System zusammengeführt werden. Für diese Herkulesaufgabe hatte sich Österreich zehn Jahre Zeit genommen. Doch die Bundesregierung hatte für diese Umwandlung gerade einmal drei Jahre eingeplant. Es hakte bereits, als die neue Autobahn GmbH die bereits seit 1991 bundesweit agierende Planungsgesellschaft Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) mit ihren 450 Mitarbeitern aufnehmen sollte. Der Bundesrechnungshof intervenierte, und nun muss die DEGES ihre restlichen Arbeiten erst einmal zu Ende bringen.
MANGELHAFTES MANAGEMENT
Und während Sie wieder mal auf einem Baustellen-Engpass kilometerweit angsterfüllt auf der linken Spur (zwei Meter breit!) neben einem polnischen Gigaliner herummäandrieren, wundern Sie sich vielleicht, dass auf der Baustelle noch immer keiner arbeitet. Das könnte womöglich daran liegen, dass die Baufirmen gerade streiken. Denn die Autobahn GmbH hat laut Handelsblatt etwa 20.000 Rechnungen im Wert von 650 Millionen Euro nicht an die ausführenden Firmen bezahlt. Ein eher misslungener Einstieg. Autobahn GmbH-Chef Stephan Krenz sieht das aber locker und pocht darauf, dass die neue Firma ja erst einmal in Gang kommen müsse.
Der Bundesrechnungshof sieht das weniger locker und kommt auf einen vollkommen überdimensionierten, pompösen Neujahrsempfang zu sprechen, mit dem sich der Vorstand der neuen Firma schon mal richtig ausgelassen selber feierte. Der Aufsichtsrat der neuen Firma blieb der Sause lieber fern und rügte die Geschäftsleitung. Zudem habe die neue Firma für externe Berater bereits 99 Millionen Euro zum Fenster rausgeschmissen, so die Rechnungsprüfer des Bun-destags. Finanzieren soll die Autobahn GmbH ihre Arbeit durch die 7,2 Milliarden Euro Einnahmen aus der LKW-Maut — davon gehen aber schon 1,1 Milliarden Euro an die Mautbetreiber.
DAS VERSCHACHERN UNSERER 
AUTOBAHNEN GEHT WEITER
Die Zentralisierung beim Bund durch die Autobahn GmbH soll die Planung vereinfachen, wenn alles in einer Hand ist. Zudem soll es unter Bundesaufsicht schneller gehen mit dem Aufbau von Ladesäulen für Elektroautos und der Strukturen für das sogenannte autonome Fahren. Am liebsten hätte ja die Bundesregierung die Autobahnen einer konzerngesteuerten Aktiengesellschaft übergeben und damit das Ganze komplett privatisiert. Das ist am starken Widerstand weiter Kreise der Bevölkerung einstweilen gescheitert. Dennoch geht die Privatisierung unserer Verkehrswege munter weiter.
Da    werden    nämlich    13    Autobahnabschnitte   in   Öffentlich-Privater-Partnerschaft   (ÖPP)   betrieben.   Konzerne   bezahlen   den   Ausbau   und   die   Wartung für 30 Jahre. Dafür bekommen sie die Mauteinnahmen ihres Abschnittes.   Als   Vorwand   dient   die   Ausrede,   der  Bund  müsse  dringend  Autobahnabschnitte  reparieren,  habe  aber  aufgrund  der  Schuldenbremse  kein  Geld  dafür.  Doch  die  Schuldenbremse  gibt  es  seit  »Corona«  gar  nicht  mehr.  Der  Bundesrechnungshof  moniert,  dass  die  ÖPP-Strecken   erheblich   teurer   kommen  als  die  öffentlich  betriebenen Abschnitte. 
DER STEUERZAHLER 
WIRD ABGEZOCKT
Tatsächlich kommen die Privaten durch die Mauteinnahmen dennoch nicht auf ihre Kosten. Deshalb hat die Bundesregierung schon 220 Millionen Euro an die ÖPP-Betreiber heimlich nachgezahlt. Für wen und warum bleibt bis heute dem Steuerzahler verborgen. Allein nur um die sperrigen Verträge mit den privaten »Partnern« auszukaspern, hat der Bund 19,8 Millionen Euro für externe Rechtsanwaltskanzleien ausgegeben. Bei der Auftragsvergabe für privat betriebene Autobahnabschnitte kommen vornehmlich die großen Baukonzerne zum Zuge — mittelständische Betriebe bleiben dabei auf der Strecke.
Da verstehen wir auch besser, warum die CSU auf Teufel komm raus noch die PKW-Maut wollte. Eine Übergabe der öffentlichen Straßen an private Konzerne lässt sich nur finanzieren mit Mauteinnahmen. Und die LKW-Maut reicht da nicht aus. Das Scheitern der PKW-Maut kostete die Steuerzahler bislang 80 Millionen Euro. Die geprellten Maut-Betreiber fordern von der Bundesregierung 560 Millionen Euro Schadensersatz. Verkehrspolitik 2021: einfach nur bescheuert.
Hermann Ploppa ist Buchautor und Chef des Wirtschaftsressorts dieser Zeitung.
