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Aufklärung

Aus dem Arbeitsalltag auf der Verdachtsstation

ES GIBT NUR NOCH CORONA

Von Sophia-Maria Antonulas

Mir gegenüber sitzt eine sympathische, aufgeweckte Frau Anfang 30. Sie hat schöne glatte Haut, nur die untere Hälfte ihres Gesichts ist von roten übereinander liegenden Pusteln übersät. 

»Der Hautarzt sagt, das ist keine Akne mehr, sondern Dermatitis«, erzählt Julia Krause (Name von der Redaktion ano­nymisiert). Ihr Dermatologe hat sie für eine Woche krankgeschrieben und ihr eine antibiotische Creme verordnet. Ein Attest traue er sich nicht auszustellen. Sie solle sich an den Betriebsarzt wenden.

In der Berliner Klinik, in der Krause ar­beitet, ist sie nicht die einzige Mitarbei­terin, die die FFP2-­Maske nicht verträgt, und es komme deswegen zu sehr vielen Krankenständen. Auch der Betriebsrat habe die Leitung schon informiert, weil derzeit extrem viel Personal ausfällt und eine Lösung gefunden werden muss. Doch die junge Frau zuckt die Schultern: »Es ist nun mal so, dass Schwestern sich krankmelden oder gleich einen anderen Job suchen. Wir wehren uns nicht. Wir sind gewohnt, einfach weiterzumachen. Denn wenn wir alle nur nach dem Ge­setz arbeiten, wäre das System schon längst zusammengebrochen.« Für die Corona-Verdachtsstation, auf der Krause derzeit nur Nachtdienste macht, damit sie tagsüber ihr Kind im Homeschooling betreuen kann, wurde eine Abteilung in zwei Hälften geteilt. Links die Pulmologie, rechts die Verdachtsstation mit jeweils 24 Betten. Dazwischen liegt das Schwes­ternzimmer, in das in der Mitte eine Spanplatte als Trennung aufgestellt wur­de. Mit einer Aussparung an der Decke für den Rauchmelder. Der Kühlschrank für die Medikamente und der Safe für die Morphine sind nur auf der Seite, die zur Pulmologie gehört. »Ich muss also meine Hälfte des Schwesternzimmers verlas­sen, außen rundherum durch die Glastür auf die andere Station gehen, um an den Kühlschrank oder den Safe zu kommen«, beschreibt Krause das umständliche und absurde Prozedere. »Von den 24 Betten sind derzeit zwei belegt. Im gesamten Krankenhaus mit insgesamt 1.000 Bet­ten gab es Anfang Februar 18 Patienten mit einem positiven PCR­Test.«

Auf die Verdachtsstation kommen sehr unterschiedliche Patienten, um auf ihr PCR­Testergebnis zu warten. Obwohl das Ergebnis in 18 bis 24 Stunden da sein soll­te, bleiben die Patienten oft auch länger. Einen eigenen zuständigen Arzt gibt es auf der Station nicht. Krause erzählt von einem Mann, Ende 30, der eigentlich fit war, aber wegen Schmerzen in der Lun­ge in die Klinik und auf ihre Station kam. »Er blieb vier Tage, hatte 3 negative PCR­ Tests und wurde sonst nicht behandelt. Auf einer seiner Rauchpausen habe ich ihm dann empfohlen, dass er sich selbst entlässt, weil es hier nur mehr Corona gibt und nach der eigentlichen Ursache für seine Schmerzen nicht gesucht wird«, erinnert sich Krause. Und sie schildert den Fall einer Schwangeren, die ins Kran­kenhaus kam, weil sie weder Essen noch Wasser bei sich behalten konnte und das schon seit einer Woche. »In der Rettungs­stelle machte man nur einen PCR­Test. Sie bekam keine Infusion, keine gynäko­logische Untersuchung, nichts, sondern kam einfach auf meine Station. An dem Tag waren auch wieder mal die Telefone ausgefallen und es war gar nicht so leicht, eine Gynäkologin aufzutreiben, die nach weiteren drei Stunden die Frau endlich untersuchte.«

Bei vielen anderen Patienten seien Para­cetamol und Hustensaft das erste Mittel der Wahl. Krause und ihre Kolleginnen hätten sich oft gewundert, warum so viele junge Menschen mit Halskratzen, Husten und manchmal leichtem Fieber ins Krankenhaus kamen. Aber natür­lich sei ihnen die psychologische Kom­ponente klar: Spätestens dann, wenn durch einfache Atemübungen die Sauer­stoffsättigung stieg, lag es nicht an einer Coronainfektion, sondern einfach nur an Panik und Angst. Und nicht nur einmal sei mit einer Beruhigungstablette auch das Fieber runtergegangen oder, sobald das negative Testergebnis bekannt war, die Symptome schlagartig verschwun­den. Erbost ist Krause über den Fall einer 92­jährigen dementen Frau, die im Sterben lag und trotzdem noch ge­gen Corona geimpft wurde: »Die zweite Impfung hat ihr den Rest gegeben. Ich verstehe nicht, wie das sein kann. Da sind mehrere Menschen daran beteiligt – ein Arzt, ein Betreuer, das Pflegeheim, eine Krankenschwester – warum sagt denn da kein einziger Nein?«

Auf die Zukunft angesprochen erwidert die Krankenschwester jedenfalls: »Ich hoffe, dass das Fachpersonal bald eine eigene Demo macht. Wir wissen doch, was wirklich los ist.« 




Dieser Text erschien in Ausgabe N° 37 am 19. Feb. 2021




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